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„before and after“
Ausstellung von Florian Beckers im Kabinett des KuK Monschau, 18.08.-16.09.2018

EYES WIDE SHUT
Durch die Nacht mit Florian Beckers

Während Hugo Thomassen in seiner soeben zu Ende gegangenen Ausstellung im KuK seine Leidenschaft für das Licht verkündete, flüstern und raunen Florian Beckers Arbeiten in der Folgeausstellung "before and after" von der gespenstischen Schönheit der Dunkelheit. Trotz der klaustrophoben "German Angst", trotz ihrer beklemmenden Leere sind die Arbeiten in ihrer elaborierten Farbigkeit von seltener Schönheit.

Man stelle sich vor: Hätte Hitchcock keine Filme, sondern Fotos gemacht, sähen diese vermutlich ähnlich aus, wie die panisch, poetischen Hymnen von Florian Beckers. Obwohl Sir Alfreds wichtigste Ingredienz einer gelungenen Momentaufnahme fehlt – die (mausetote) Blondine, so verströmen Beckers’ Tatorte die alarmierende Aura eines lupenrein Hitchcock-Suspense.
(David Lynch, der sich ebenfalls zum Vergleich anböte und der sogar tatsächlich Fotos macht, entzieht sich einer Gegenüberstellung, da er prinzipiell nur Bilder von nackten Frauen und Industrieanlagen schießt.)

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Florian Beckers – before and after
18.08.-16.09.2018

Was Beckers’ Nachtstücke zu Tatorten macht, ist die hohe phobische Spannung ihrer in Dunkelheit getauchte, verliesartigen Räume. (Träumt Florian Beckers nachts von Piranesis Kerkeranlagen*?) Wie Schnappschüsse verbotener Zonen, die böses ahnen lassen, vibrieren die Bilder geradezu vor suggestiver Ambivalenz. Die vertrauten Orientierungspunkte von Zeit und und Raum sind jedenfalls keine Hilfe. Die alles umschließende Nacht in ihrer Eigenschaft als hypnotisches Surrogat des Vergessens hat die Raumzeit bereits halb verschlungen – und es sieht nicht so aus, als würde sie vom Rest viel übrig lassen.

Um den Tatort-Vergleich noch ein wenig weiter zu strapazieren: der passende TV-Kommissar für Beckers’ Tatorte wäre selbstredend nicht der gemütliche Vaterersatz, Hansjörg Felmy, sondern unbedingt der von Ulrich Tukur verkörperte halbwahnsinnige Felix Murot aus Wiesbaden.
Fiktive Dialogzeile: »Es gibt hier nichts aufzuklären, Herr Kommissar, höchstens zu bestaunen. Machen Sie Feierabend. Die Vernunft ruht sich aus – und was der »Schlaf der Vernunft« gebiert, lieber Herr Murot, das wissen Sie doch aus dem Kunstunterricht?«**

Es ist klar: Ästhetisch befinden wir uns weit hinter der sachlichen Beleuchtungspraxis der Moderne und der Aufklärung. Diese hat als pragmatische Erbin der alteuropäischen Lichtmetaphysik das Zeitalter der Lichtpenetranz zum obersten Ideal erklärt. Die seit Picasso und Braque von der Moderne bevorzugte Lichtführung orientierte sich an der gleichmäßig ausgeleuchtete Zweckdienlichkeit eines Operationssaals oder eines Verkaufsraums.
Beckers’ Bildnerei der Postmoderne (=Vormoderne) artikuliert ihr Lichtbewusstsein nicht mehr mit klarer, »objektiver« Ausleuchtung, sondern mit diskreten, künstlichen Lichtquellen wie Spotlights und Flutern.
Die Klarheit des Überblicks ist verloren, gewonnen ist eine überaus effektvolle Dramaturgie des Unheimlichen, die den Bildausschnitt mehr oder weniger brutal aus dem Gesamtbild herausschneidet oder, sagen wir es ruhig: kastriert. Schließlich gehört Fragmentierung ebenso untrennbar zum ästhetisch wirkungsvollen Arsenal Beckers’, wie zu den angstbesetzten Gründungsmythen der bürgerlichen Kleinfamilie.
Im zyklopischen Bannstrahl von Beckers’ Lichtregie erblüht das Objekt zur maliziösen Schönheit einer ins Herz der Finsternis gerissene Wunde – oder wie Baudelaire in seinen »Blumen des Bösen« diesbezüglich dichtete: »Ich bin das Messer und die Wunde.«
Beckers’ Ästhetik des simultanen Verschwindens/Erscheinens, in ihrer voraufklärerische In-der-Schwebe-Situation, stellt nicht nur jeden Forensiker (»Murot, bitte kommen!«), sondern auch den Betrachter vor geradezu unlösbare Aufgaben.

Obwohl wir uns in unserem kleinen Streifzug „Durch die Nacht mit Florian Beckers“ gefährlich nahe an besagtes Herz der Finsternis gewagt haben, sei hier noch einmal eindringlich an die ästhetische Qualität der Arbeiten erinnert.
Die Adepten der Dunkelheit, Piranesi, Baudelaire und Goya mögen sich meinetwegen im Grabe herumdrehen: Beckers’ „Ästhetik der Nacht“ hat im unterhaltsam, bekömmlichen Grusel einer gut erzählten Gutenachtgeschichte, etwas ausgesprochen erlesenes, preziöses und dekoratives.

Beckers’ wie aus Luft gebauten, raffiniert in Szene gesetzten Lichthöfe strotzen vor malerischem Reichtum und deliziöser L’art pour l’art.
Diese luxuriöse Komponente der Beckersschen Schattenwelten überwältigt mit dem kostbaren, vielfarbigem Schwarz des Modeschöpfers Yōji Yamamoto*** und strömt als Schmuckstück des Luxus und der Moden wie schwarzer Champagner durch das Bildgeschehen. (Falls schwarzer Champagner noch nicht existieren sollte, muss man ihn unbedingt erfinden, um ihn als sakrales Simulacrum bei den Orgien der sehr, sehr Reichen zu kredenzen.)
(Gabor Baksay)

»before and after“
Ausstellung von Florian Beckers im Kabinett des KuK Monschau 18.08.2018 - 16.09.2018

* Giovanni Battista Piranesi hat mit seinen labyrinthischen »Kerkerzeichnungen« als Künstler der Aufklärung, ähnlich wie Goya, das Fundament zu den Nachtmaren der Romantik gelegt

** »Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer« Gemälde von Francisco de Goya

*** »Black is modest and arrogant at the same time. Black is lazy and easy – but mysterious. But above all black says this: ‘I don’t bother you – don’t bother me.’«
Joji Yamamoto

Die fotografischen Arbeiten von Florian Beckers entstehen aus der Dunkelheit heraus und verschwinden teilweise wieder in ihr.
Das noch Sichtbare ist dabei lediglich Auslöser für das, was außerhalb der Abbildung liegt, aber das Wesentliche darstellt.

Jedes Bild erzählt eine Geschichte, verdichtet zu Einzel-, zu Standbildern, steht dabei aber nicht nur für sich allein, sondern es gibt Korrespondenzen, Bezüge untereinander, wiederkehrende Sujets, die im Betrachter Assoziationen wecken und einen Zusammenhang nahe legen.

Es stellen sich Vorstellungen von einem Davor und Danach ein. Aber, herausgerissen aus dem Kontinuum des Lebens, kann sich eine Lesbarkeit in chronologischer Reihenfolge nicht ergeben. Vielmehr entstehen Brüche, die Fragen aufwerfen und eine Reaktion des Betrachters fordern. Das Bild erschließt sich also erst in der Wahrnehmung des Betrachters, muss durch seine Vorstellungskraft vollendet werden.

Eine Ausstellung des Projekts SHIFT im Kabinett des KuK Monschau
Eröffnung am Samstag, 18. August 2018 um 12 Uhr.

Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 14-17 Uhr sowie samstags und sonntags von 11-17 Uhr.

Adresse: KuK Kunst- und Kulturzentrum der StädteRegion Aachen, Austraße 9, 52156 Monschau.

 


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